Realitätsfern oder berechtigter Optimismus?

Peter Zeidler steht zunehmend in der Kritik – berechtigt? (Foto: Revierfoto)

Es war schon wirklich kurios, als Peter Zeidler auf der Pressekonferenz sagte, dass er „etliche Fortschritte“ gesehen habe. Als Fan saß ich da und fragte mich, über welche Mannschaft er gerade spricht. Vermutlich aus der Emotion heraus musste ich vor Unglauben schmunzeln und dachte sofort: Unser Trainer beurteilt die Situation völlig fernab der Realität. Einen Tag später denke ich erneut darüber nach und versuche, für euch – aber auch für mich – eine Antwort zu finden, die so treffend wie möglich auf die Frage eingeht, ob Zeidlers Aussage berechtigt ist oder ein Ausdruck purer Verzweiflung.

Was die Zahlen sagen

Statistiken und Zahlen sind im Fußball immer so eine Sache. Möchte man eine Behauptung im Fußball belegen, findet man wohl immer irgendwelche kuriosen Zahlen, die die eigene Behauptung unterstützen. Fakt ist jedoch, dass der VfL aktuell nicht nur in fast allen Kategorien (u.a. Torschüsse, Laufleistung, Zweikampfquote) im Vergleich zu den anderen Bundesligisten unterdurchschnittlich abschneidet, sondern auch im Vergleich zu den bisherigen Spielzeiten in der Bundesliga. Lediglich die Passquote und die Luftzweikampfquote sind zum jetzigen Zeitpunkt etwas besser. Dazu kommt, dass wir mal wieder zu wenig aus unseren Chancen machen. Stand heute stehen wir in der Statistik der vergebenen Großchancen auf Platz 7 mit 9 Torchancen, die eigentlich zu Toren führen müssten.

Auch im Vergleich zur vorherigen Saison zeigen sich kaum Verbesserungen. In den ersten sechs Spielen sowohl der letzten als auch der aktuellen Saison sind die gleichen Schwachstellen sichtbar. Mit einem Gegentorschnitt von 2,5 Toren pro Spiel war die Verteidigung bereits in den ersten sechs Spielen der Saison 2023/2024 anfällig. Der aktuelle Gegentorschnitt liegt bei 2,08 Toren pro Spiel, was eine leichte Verbesserung darstellt, aber immer noch unterdurchschnittlich ist. Der Expected-Goals-Wert (xG) lag in der Saison 2023/2024 bei etwa 1,4 bis 1,5 pro Spiel, was zeigte, dass die Mannschaft Chancen kreieren konnte, diese aber nicht effizient nutzte. Der xG-Wert liegt in dieser Saison bei 1,46, was auf eine ähnliche Chancenverwertung hinweist.

Ergebnis: Nicht nur die Tabellen- und Punktesituation ist ähnlich schlecht oder sogar schlechter im Vergleich zum Start der letzten Saison, sondern auch die „Zahlen dahinter“ zeigen, dass es bis jetzt keine Weiterentwicklung gab.

Was das Gefühl sagt

Das Gefühl bestätigt natürlich die Analyse der Zahlen. Schon in meinem gestrigen YouTube-Video bin ich darauf eingegangen. Jedoch – so geht es mir zumindest – ist das Gefühl noch ein wenig schlechter als sonst. Jeder, der mich und den Stammplatz 1848 verfolgt, weiß, dass ich ein hoffnungsloser Optimist bin, der sich schnell begeistern lässt, aber trotzdem Situationen realistisch einschätzen kann. Was mir gerade jedoch gar nicht gefällt, ist, wie fahrig unser VfL mit der aktuellen Lage umgeht. Es fehlt mir an Einsicht, an einer klaren Benennung der Probleme und vor allem an der Anpassung der taktischen Ausrichtung. Dies richtet sich ganz klar an unseren Trainer. Wie kann es sein, dass die linke und rechte Außenbahn in der eigenen Hälfte so leicht auszuspielen ist? Wie kann es sein, dass die Mannschaft immer wieder in die gleichen Muster fällt und kaum Lösungen findet, wenn wir verteidigen müssen? Wie kann es sein, dass wir selbst mit vier bis fünf Spielern den Ball nicht erobern und zudem Räume öffnen, die der Gegner dankend nutzt? Und wie kann es sein, dass die Leistungen der Spieler so schwach und schwankend sind, dass jede Woche wie eine Wundertüte wirkt?

All diese Fragen stelle ich mir jede Woche aufs Neue und erkenne eine gewisse Gleichgültigkeit, wenn unser VfL wieder die gleichen Fehler macht. Zudem beraubt sich der Verein meiner Meinung nach auch der Glaubwürdigkeit, wenn die Zahlen, Fakten und das Gefühl eindeutig gegen eine Entwicklung sprechen. Ja, die Mannschaft gibt sich nicht auf und kämpft, das rechne ich ihr hoch an. Doch ich habe das Gefühl, dass die taktische Ausrichtung die Spielfreude der Spieler eher hemmt, als sie zu fördern. Bestes Beispiel: Als Zeidler gestern auf ein 4-3-3 umstellte und mit Daschner und Broschinski etwas mehr Tempo ins Spiel brachte, hatten wir plötzlich eine Dynamik, die dem Spiel guttat.

Realitätsfern oder berechtigter Optimismus?

Bleibt nun abschließend zu klären, wie Zeidlers Aussage einzuordnen ist. Für mich ist sie leider sehr realitätsfern. Zeidler hat einen starken Charakter und eine tolle Persönlichkeit. Als Mensch schätze ich ihn sehr, aber leider zählt das im Fußball-Business wenig, wenn du keine Erfolge mit deinem Team lieferst. Auch andere Aussagen von ihm wirken eher wie Ausreden oder Phrasen, um die öffentliche Meinung zu beschwichtigen. Doch das funktioniert immer weniger, da die Leistungen einfach nicht besser werden.

Ein Trainerwechsel wird oft als Lösung angesehen, aber reicht das wirklich aus? Neben Letsch und Riemann hätten wir dann einen weiteren inaktiven Posten auf der Gehaltsliste. Ein neuer, guter Trainer, der wirklich etwas verändern kann, kostet mehr als nur „ein paar Mark“. Hinzu kommt, dass viele Kandidaten sich der Herausforderung bewusst sind und bereits abgesprungen sind, bevor es zum Erstkontakt käme.

Was für einen Trainerwechsel spricht: Eine neue taktische Ausrichtung und frische Dynamik könnten tatsächlich helfen. Zudem ist ein Abstieg in die Zweitklassigkeit deutlich teurer. Doch dagegen spricht, dass die grundlegenden Qualitätsprobleme und Schwächen im Kader nur bedingt durch einen Trainer behoben werden können. Erst zur Winterpause könnte mit einem neuen Trainer auch der Kader noch einmal angepasst werden, wenngleich es in der Winterpause deutlich schwerer ist, um Verstärkung zu finden.

Von Marc Lettau gab es für Peter Zeidler vorerst die Jobgarantie, sodass wir uns Stand heute vorerst mit keinen neuen Namen auseinandersetzen werden. Viel Zeit bleibt der Mannschaft und dem Team jedoch nicht. Die Länderspielpause wird mit einem weiteren Testspiel gefüllt, um Verbesserungen einzuleiten und Erkenntnisse zu gewinnen. Für mich wird das Auswärtsspiel gegen Hoffenheim Zeidlers Endspiel. Sollte er es bestehen, freue ich mich – nicht nur aus Sympathie –, dass er den Turnaround doch noch einleiten kann. Falls nicht, steht dem VfL eine schwierige Trainersuche bevor.

Dennoch: Der VfL hat schon oft genug bewiesen, dass er sich aus schwierigen Lagen herauskämpfen kann. Noch sind wir am Anfang der Saison, noch ist die Messe nicht gelesen. Und an dieser Stelle schlägt das blau-weiße Herz wieder schneller, denn Aufgeben gehört nicht zur Vereinsmentalität.