Gemeinschaftsgefühl und Schuldzuweisungen: Die Kontraste der gestrigen Versammlung

Bereits im Vorfeld deutete sich das Wahlergebnis an. Alle Umfragen – auch die Umfrage aufm‘ Stammplatz – sahen das Team „Zukunft“ bei etwa 55 bis 65 Prozent. Dass sich dieses Meinungsbild dann nahezu eins zu eins auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung widerspiegelte, hat selbst mich überrascht. Hier ein kurzer Rückblick und eine persönliche Analyse.
Gemeinschaftlich, mit Reue und Perspektiven
Mit diesen drei Worten lässt sich der Auftritt des Teams „Zukunft“ in der Vorstellungsrunde treffend beschreiben. Hans-Peter Villis, Andreas Luthe, Bettina Stratmann, Till Grönemeyer und Christian Stenneken präsentierten sich rhetorisch stark, inhaltlich abgestimmt und insgesamt sehr souverän. Es war kaum überraschend, dass Villis – der „frühere“ Aufsichtsratsvorsitzende – das erste Wort an die anwesenden und digital zugeschalteten Mitglieder richtete. Selbst wenn man ihm strategisches Vorgehen unterstellen wollte, muss man anerkennen: Ton und Wortwahl waren angemessen und richtig gewählt.
Er hob die Leistungen seiner Amtszeit hervor, entschuldigte sich für sein Auftreten, übernahm jedoch keine direkte Verantwortung für den Abstieg oder das Scheitern des früheren Präsidiums. Er sprach dies nur an vereinzelten Stellen innerhalb seiner Rede an. Dies hatte er in unserem gemeinsam Gespräch und Interview im Vergleich zur gestrigen Rede besser hinbekommen. An dieser Stelle hätte ich mir etwas mehr Selbstkritik gewünscht. Sei’s drum. Immerhin verzichtete Villis auf eines – und das rechne ich ihm hoch an: Schuldzuweisungen (da kommen wir noch einmal drüber zu sprechen…). Dieses Maß an Feingefühl und die Fähigkeit zur Differenzierung erwarte ich von jemandem, der Führungsverantwortung übernehmen will.
Den Geist der Gemeinschaft und die konkreten Zukunftsperspektiven vermittelten besonders die Redebeiträge von Christian Stenneken, Bettina Stratmann, Till Grönemeyer und Andreas Luthe. Vor allem Herr Stenneken und Frau Stratmann haben bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Für mich strahlen beide zu 100 % VfL-DNA aus – authentisch, ehrlich und nahbar. Natürlich kann man Menschen, die man bisher nur aus der Ferne kennt, nie ganz einschätzen. Aber wie sie ihre Worte gewählt und transportiert haben, war einfach stark.
Diese positive Einschätzung wurde auch durch ihre echte Freude über das Wahlergebnis untermauert. So etwas lässt sich nicht vorspielen. Besonders zwei Aussagen haben sich mir eingeprägt: Bei Herrn Stenneken war es „Juristerei mit blau-weißem Herzen vereinen“ und bei Frau Stratmann „mit klarer Kommunikation wieder eine ehrliche Haut werden und bleiben“. Das sind Sätze, die hängen bleiben – weil sie Haltung zeigen.
Auch der Neffe unserer Hymnen-Legende Herbert, Till Grönemeyer, konnte mit frischen Ideen punkten. Er möchte neue Impulse setzen, strategisches Wachstum fördern, innovative Wege der Kapitalbeschaffung erschließen und dabei neue Partner und Sponsoren gewinnen – ohne dabei die Tradition des Vereins zu gefährden. Für viele mögen das zunächst nach bloßen Worthülsen klingen, und klar: An diesen Aussagen wird er sich messen lassen müssen. Für mich allerdings ergeben sich daraus spannende Perspektiven – insbesondere in Kombination mit seinen Erfahrungen aus der Start-up-Welt, die für den Verein durchaus ein Gewinn sein könnten. Einfach mal moderner, frischer, innovativer denken. Alte Denkmuster hinterfragen.
Natürlich ist der VfL kein Start-up – aber warum sollte das ausschließen, mit einer gesunden Portion Mut und frischen Herangehensweisen gemeinsam mit der operativen Leitung die bestehenden Strukturen zu überprüfen? Hier geht es um Entwicklungsmöglichkeiten, oder wie man im heutigen Sprachgebrauch sagt: Business Development – zufällig auch mein Schwerpunkt im Masterstudium, deswegen kann ich dazu auch was sagen ;-).
Gerade dort habe ich gelernt, wie wichtig es ist, Strukturen regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen. Nicht, um Bewährtes grundlos über den Haufen zu werfen, sondern um es effizienter zu gestalten und Schwachstellen gezielt mit Innovationskraft und kontroversen, aber sachlichen, Diskussionen anzugehen.
Klar ist auch: Auf einer solchen Veranstaltung kann und sollte er keine Versprechungen machen oder konkrete Namen potenzieller Sponsoren nennen. Das wäre nicht nur unprofessionell, sondern würde auch das Vertrauen in laufende Gespräche gefährden. Ich persönlich hätte es sogar bedenklich gefunden, wenn er anders aufgetreten wäre. Umso gespannter bin ich, wie er seine Ideen nun in die Tat umsetzen wird.
Den Abschluss der Vorstellungsrunde bildete dann unser Relegationsheld Andreas „Andi“ Luthe. Auch bei ihm hatte ich das Gefühl, einer Persönlichkeit zuzuhören, die nicht nur rhetorisch sehr stimmig und überzeugend auftrat, sondern auch spürbare Emotionen zeigte – vor allem, als es um die Zukunft unseres VfL ging. Dabei schlug er die Brücke zu seiner eigenen Vereinsgeschichte, mit dem Höhepunkt der erfolgreichen Relegation, die er noch einmal Revue passieren ließ.
„Nicht quatschen, sondern machen“ – dieser Satz war nicht nur eine Botschaft an die Mitglieder, sondern auch ein klares Bekenntnis zu seiner eigenen Haltung und seinem Anspruch. Es sind Worte, an denen sich nicht nur er selbst, sondern das gesamte künftige Präsidium wird messen lassen müssen.
Für mich sprach hier der wohl zukünftige Aufsichtsratsvorsitzende direkt aus dem Herzen vieler VfL-Fans. Sollte Andi sich diese Authentizität, Ehrlichkeit, Fannähe und Begeisterung bewahren, steht uns mit ihm womöglich eine neue Ära bevor. Eine, die nicht nur von Veränderung, sondern auch – ganz entscheidend – von sportlichem Erfolg geprägt sein könnte. Denn genau das ist eines seiner erklärten Ziele.
Der große Kontrast
Während im ersten Redeblock alles reibungslos verlief und die Mitglieder des Teams „Zukunft“ durchweg überzeugten, war der Auftritt des Teams „WIR, für den VfL“ deutlich kontroverser. Das Team um Uwe Tigges, Martin Volpers, Mirja Dorny, Thomas Ernst und Karl-Heinz Bauer konnte – unabhängig vom späteren Wahlergebnis – leider nicht wirklich punkten. Die große Chance, insbesondere die noch unentschlossenen Mitglieder für sich zu gewinnen, blieb ungenutzt.
Gerade das war der Moment, in dem das – durch die Umfragen im Vorfeld – „Underdog-Team“ hätte aufschließen können. Denn im Vorfeld der Wahl lag der Anteil der Unentschlossenen in sämtlichen Umfragen – sei es bei Bluewonder, bei mir oder anderswo – konstant bei etwa 30 bis 35 Prozent. Diese Unsicherheit im Meinungsbild hätte ein echtes Potenzial für Bewegung sein können. Doch die Gelegenheit blieb letztlich ungenutzt.
Was waren die Gründe?
Für mich lassen sich die Gründe für das Scheitern des Teams „WIR, für den VfL“ recht klar benennen.
Erstens: Wenn du ins Ruhrstadion kommst – in das viel zitierte „gallische Dorf“ des Ruhrgebiets, das sich mit Leidenschaft gegen Dortmund und Schalke behaupten will und dies auch auf wunderbar emotionaler und leidenschaftlicher Ebene immer wieder schafft –, dann darfst du nicht eine Geschichte erzählen, die deine Sympathien für einen dieser Rivalen offenbart. So nachvollziehbar Mirja Dornys Intention als Mutter auch ist, ihre Töchter zu unterstützen, ändert das für viele VfL-Fans und -Mitglieder nichts an der Tatsache, dass sie offen ihre Nähe zum BVB gezeigt hat und auch bewusst mit den Sympathien für den Schwarz-Gelben-Club umgegangen ist. Und das ist bei uns schlicht ein emotionaler Reizpunkt.
Deshalb, so ehrlich muss ich sein, konnte ich die Nominierung durch die Findungskommission nicht nachvollziehen. Dorny ist zweifellos kompetent, hat gerade im Bereich Frauenfußball in Bochum viel bewegt. Aber der „Dortmund-Moment“ überdeckte all diese positiven Aspekte. Hier fehlte schlicht das nötige Fingerspitzengefühl – das Verständnis dafür, wie unsere Fangemeinschaft tickt.
Der zweite Punkt betrifft die völlig überraschende Rede von Karl-Heinz Bauer. Seine Worte ließen bei mir nur einen Gedanken zurück: Wenn man sich das „WIR“ groß auf die Fahne schreibt, warum greift man dann eine Einzelperson (Hans-Peter Villis) so scharf an? Da war für mich kein WIR-Gefühl, keine gewollte Einigkeit, kein „ab morgen sind wir wieder alle VfLer – egal, wie die Wahl ausgeht“ spürbar. Diese Rede war für mich der berühmte Tropfen, der das Fass endgültig zum Überlaufen brachte und sämtliche Chancen für das Team vernichtet hatte. Ich kann nicht nachvollziehen, wie man glaubt, mit einer derart konfrontativen Ansprache die Mitglieder von sich überzeugen zu können. Da hatte ich mir eine ganz andere sprachliche Tonalität versprochen.
Die Einzigen, die in diesem Team noch bei mir punkten konnten, waren Uwe Tigges und Martin Volpers – vor allem durch ihre Leistungen in den vergangenen Monaten. Dass sie mit Ilja Kaenzig, Dirk Dufner und insbesondere Dieter Hecking ein starkes operatives Trio etabliert haben, stimmt mich für die sportliche Entwicklung unseres VfL durchaus zuversichtlich. Und hier haben die beiden genannten maßgeblich für gearbeitet.
Und dann war da noch Thomas Ernst – der natürlich nicht fehlen darf. Er hat mich weder begeistert noch enttäuscht. Allerdings war ihm die Nervosität am deutlichsten anzumerken: zitternde Stimme, einige Versprecher. Dabei war der Inhalt seiner Botschaft durchaus stimmig und zielte ebenfalls auf Zusammenhalt und Gemeinschaft. Nur kam er in der Form leider nicht so überzeugend rüber, wie es vielleicht nötig gewesen wäre.
Die heiße Fragerunde
Anschließend kam es zu der obligatorischen Fragerunde, die vor allem wegen den heißen und schwülen Temperaturen sehr hitzig wurde.
Die Fragerunde, in der die Mitglieder die Möglichkeit hatten, den beiden Teams Fragen zu stellen, brachte insgesamt wenig neue Erkenntnisse. Beide Seiten blieben weitgehend in ihren zuvor eingenommenen Argumentationslinien – sowohl in positiver als auch in kritischer Hinsicht.
Eine Sache hat mich dann aber doch überrascht: Auf die konkrete Nachfrage, was letztlich zur Spaltung geführt habe, nannten Uwe Tigges und Martin Volpers die Idee von Hans-Peter Villis, einen anderen und „eigenen“ Trainerkandidaten, und eben nicht Peter Zeidler, installieren zu wollen, als maßgeblichen Auslöser. Ich hatte im Vorfeld – und durch die Ankündigung, dass man nur der Mitgliederversammlung Rede und Antwort stehen wird – „mehr“ erwartet.
Genau hier prallten die unterschiedlichen Auffassungen aufeinander. Tigges und Volpers sprachen von einem „Durchdrücken“ der Personalie, während Villis schilderte, er habe lediglich ein gemeinsames Treffen organisiert – mit Ilja Kaenzig, Jupp Tenhagen und dem potenziellen Kandidaten. Volpers und Tigges seien dabei zwar nicht anwesend gewesen, jedoch informiert und eingeladen worden. Was sich tatsächlich im Detail abgespielt hat, werden wir vermutlich nie abschließend klären können.
Für mich persönlich ist aber eines klar: Sollte es sich wirklich so zugetragen haben, wie von Villis dargestellt, sehe ich darin keinen triftigen Grund für eine Abwahl – selbst nicht in Verbindung mit seiner umstrittenen Äußerung gegenüber einem Sponsor nach dem späten 2:2 gegen Kiel.
Warum sehe ich das so? Weil ich es grundsätzlich richtig finde, wenn über Kontakte und Netzwerke neue Kandidaten ins Spiel gebracht werden. Das schafft Raum für Perspektiven und ermöglicht Diskussion – nicht um etwas zu „drücken“, sondern um Optionen abzuwägen. Zumal Hans-Peter Villis als einzelnes Mitglied im Gremium ohnehin nicht die Macht hatte, einen Trainer im Alleingang durchzusetzen. Interessant wäre gewesen, was Tigges und Volpers genau unter „durchbringen“ verstanden haben.
Zusätzlich erwähnte Tigges, man habe Villis angeboten, ihn als Ehrenpräsidenten zu installieren. Dies bedeutet quasi, dass man – so meine Auffassung – ihn in den „Ruhestand“ verabschiedet hätte und er, so Tigges, sein Gesicht hätte wahren können. Villis habe dies abgelehnt und stattdessen angekündigt, mit einem eigenen Team für das Präsidium antreten zu wollen.
Was letztlich im Hintergrund genau passiert ist, lässt sich nicht mehr mit Sicherheit rekonstruieren – und vielleicht ist es auch besser so. Für mich persönlich ist dieses Kapitel nun abgeschlossen. Ich wünsche mir vor allem, dass endlich wieder Ruhe und Zuversicht in das Gremium einkehrt. Die gestrige Aufarbeitung war wichtig – aber jetzt ist es Zeit, den Blick nach vorn zu richten.
Jetzt wieder sportlich!
Das war meine persönliche Sicht auf die gestrige außerordentliche Mitgliederversammlung. Am Ende gab es keine echten Überraschungen mehr – und leider auch ein Kandidatenteam, das von der Findungskommission ohne das nötige Fingerspitzengefühl zusammengestellt wurde. Doch jetzt, da die Entscheidung gefallen ist, rückt das in den Fokus, worum es uns allen letztlich geht: der Sport.
Ich freue mich riesig auf die neue Saison, auf die bevorstehende Vorbereitung und natürlich auf die nächsten Transfernews. Heute Abend bin ich wieder auf YouTube zu sehen – in einer neuen Folge meines News-Updates. Dort werde ich auch auf unseren dann feststehenden DFB-Pokal-Gegner in der ersten Runde eingehen.
Also: Bis heute Abend – und Glück auf!